Die der Kirche aufgetragene Verkündigung der Frohbotschaft von Christus und seinem Reich nötigt uns, zu fordern 1. Die Lösung der Kirche aus allen Bindungen an staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Mächte (vor allem an politische Parteien). 2. Die Geltendmachung der Botschaft von der Bruderschaft aller Menschen als Richtlinie für die Regelung der Beziehungen zwischen den Volksklassen und Völkern. Mit dem Glauben an das kommende Reich Gottes erscheint uns jede Billigung oder Förderung derjenigen Entwicklungen unseres wirtschaftlichen, sozialen und internationalen Lebens unvereinbar, die dem Gedanken der Bruderschaft aller Menschen ins Gesicht schlagen. Wir fordern daher Kampf der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und jeglichem Mammonismus, sowie Kampf aller Gewaltverherrlichung, also auch dem Kriege!

Das „Unser Vater“, das in allen Kirchen gebetet wird, zwingt zu einem neuen Verständnis des Wortes und der Sache Vaterland: alle Völker und alle alle Länder sind Sache Gottes! Das „Unser täglich Brot gib uns heute“ zwingt unter den Zuständen, wie sie heute geworden sind, zu einem neuen Verständnis des Wortes und der Sache Eigentum. Auch der Ärmste Proletarier ist unser Bruder und darf nicht zur Ware Arbeitskraft erniedrigt bleiben, die man kaufen und verkaufen kann, und deren Wert sich nach der jeweiligen Lage auf dem Arbeitsmarkt richtet. Insbesondere erstreben wir:

  • zu der verfassungsmäßigen die geldliche Freiheit der Kirche vom Staat,
  • die volle Freiheit der Schule von der Kirche, die eine religiöse Jugenderziehung keineswegs ausschließt,
  • eine Neuordnung der Konfirmation; das unevangelische Gelöbnis muß fallen,
  • das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Recht der Wahl auch der Provinzial- und Generalsynode.

Genossen und Brüder! Ihr schimpft über die Kirche, bleibt aber doch ihre Mitglieder. Das ist ein verlogener Zustand! Tretet entweder aus oder wählt eure religiössozialistischen Führer!

Mit diesem Aufruf beteiligten sich die Kölner Religiösen Sozialisten 1928 erstmals an den Kirchenwahlen.