(1) Die Formulierung des Themas dieses Abends »Christuskreuz, nicht Hakenkreuz«, ist bewußt gewählt‚ um von vornherein keinen Zweifel darüber zu lassen, daß nach unserer Auffassung die Bewegung und die Weltanschauung, deren Symbol das Hakenkreuz geworden ist, mit der Welt- und Lebensanschauung, deren Symbol das Kreuz Christi ist, mit dem Christentum nichts zu tun hat.

Die Nationalsozialisten sind anderer Meinung; sie behaupten nicht nur in ihren öffentlichen Veranstaltungen, sondern auch in ihrer Presse und sogar in den programmatischen Erklärungen, daß ihre Partei sich zum positiven Christentum bekenne, ja, daß die Nationalsozialisten die eigentlichen Christen unserer Zeit seien! Da diese Behauptung der Nationalsozialisten und die zu ihrer Erhärtung versuchten Beweisführungen eine direkte Gefahr der Verzerrung des christlichen Glaubens, christlicher Lebens- und Weltgestaltung darstellen, so sollte man eigentlich annehmen, daß die christlichen Kirchen als die berufenen Bewahrerinnen der christlichen Wahrheit sich der nationalsozialistischen Propaganda entgegen stemmen würden.

Aber abgesehen von den recht erfreulichen Absagen ein­zel­ner katholischer Pfarrer und einzelner Bischöfe‚ so vor allem des Bischofs von Mainz und Augsburg, geschieht nichts, um der weltanschaulichen Aushöhlung des Christentums durch die Nationalsozialisten entgegenzutreten.

 

Wir müssen vielmehr leider feststellen, daß die evangelischen Kirchenführer, die Präsidenten und Prälaten, die Generalsuperintendenten und Bischöfe der deutschen Landeskirchen sich ausschweigen, mit wohlwollender Duldung die Agitation ungezählter nationalsozialistischer Geistlicher registrieren, und gegen die wenigen Geistlichen, die sich gegen die faschistische Flut im Namen des Christentums wehren, mit Disziplinarstrafen vorgehen!

Trotzdem werden wir religiösen Sozialisten, die den Weg suchen zur Verwirklichung christlicher Gesinnung und Frömmigkeit in der Gegenwart, die wir den ewigen Werten der in Christus geoffenbarten Wahrheit in unserer Zeit und in der Zukunft Geltung verschaffen wollen - und glauben, daß die internationale sozialistische Bewegung der arbeitenden Massen aller Völker das Hohe und Heilige, das in Christus Fleisch geworden ist, über den Sumpf der kapitalistischen bürgerlichen Welt hinüberträgt an das Ufer einer neuen Zeit - wir werden uns die unserem Gewissen auferlegte Pflicht nicht nehmen lassen, und alles das, von dem wir annehmen, daß esdem Näherkommen des Reiches Gottes, des Reiches der Gerechtigkeit, des Friedens, der Güte und der Freude im Heiligen Geiste im Wege steht, bekämpfen.

Zu diesen Widerständen gegen das Reich Gottes müssen wir den Faschismus, müssen wir die nationalsozialistische Bewegung rechnen - darum sind wir ihre Gegner.

Gegen die politischen und wirtschaftlichen Irrtümer, um nicht zu sagen Irreführungen der Nationalsozialisten wenden wir uns heute Abend nur insofern‚ als sie Ausdruck einer Weltanschauung sind; Wir bekämpfen sie sonst in den Reihen der marxistisch-sozialistischen Parteien und der freien Gewerkschaften.

Heute Abend handelt es sich um eine weltanschauliche Auseinandersetzung mit den Anhängern des Hakenkreuzes, das im Widerspruch steht mit dem Kreuz Christi!

Das Kreuz Christi ist zunächst Sinnbild und Ausdruck christlichen Glaubens - des Glaubens Jesu Christi an Gott den Vater, den ewigen Geist, der sich für uns Menschen offenbart als die Kraft der Liebe, der Güte‚ des Friedens, an Gott den Geist, den man nicht nach völkischen Methoden in Jerusalem so, und auf dem Garizim anders anbeten kann, der über allen irdischen Unzulänglichkeiten die letzte Wirklichkeit ist, im ewigen Lichte, da niemand zukommen kann, den wir im Geist und in der Wahrheit allein anbeten können. Gott ist es, der das Herz aller Menschen, die ihm begegnet sind, auf die gleiche Weise bewegt, erschüttert, ergreift, zur Buße zwingt – auch das Herz eines Russen, eines Chinesen, eines Schwarzen. Der amerikanische Neger Jos. S. Cotter sagt dem weißen Bruder:

Bruder komm! Laß uns treten vor unseren Gott. Und wenn wir dann vor ihm stehen, dann werde ich sagen: Herr, ich hasse nicht. Ich werde gehasst. Ich peitsche niemanden. Ich werde gepeitscht. Ich begehre keines Land. Mein Land wird begehrt. Ich verspotte kein Volk. Mein Volk wird verspottet. Und du Bruder, was wirst du sagen?

Die gläubigen Christen in allen Völkern und Rassen meinen dasselbe, wenn sie Gott nennen. Die Nationalsozialisten aber, ihre Führer, sprechen vom deutschen Gott, der den arischen Menschen ausersehen habe zum Retter der Menschheit. »Was wir Gott nennen«, sagt Herr Alfred Rosenberg, »nennen die anderen Teufel.« Das mag für die Zeit Geltung gehabt haben, in der die kindlich-naive Gottesvorstellung der primitiven vorchristlichen Völker sich überall einen Stammes- oder Nationalgötzen zurecht machten, der von den feindlichen Nationen als Teufel verschrien wurde.

Christlicher Glaube weiß von solchen Nationalgötzen nichts; nach ihm gibt es auch keine Erwählung irgendeiner Rasse. Wir haben das Judentum nicht darum als »das auserwählte Volk« überwunden, damit an seine Stelle das gottgewollte Ariertum treten solle. Wir stellen an die Stelle des Rassentums das Menschentum. Das Göttliche, das durch Gott in jedem Menschen Aufgerufene soll die Menschheit befreien, nicht irgendeine Rasse‚ irgendein Volk. Menschentum ist für uns kein »lockendes schönes Phantasiegebilde« wie für den nationalsozialistischen Füh­rer Rosenberg, sondern eine Aufgabe, eine werdende Wirk­lichkeit!

(2) Das Kreuz, das Symbol Christi, erinnert uns immer daran, daß, »nachdem vor Zeiten Gott manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet hat durch seinen Sohn«, um uns den Sinn und das Ziel menschlichen Lebens zu verdeutlichen. Darum muß sich alles, was sich christlich nennt, mit der Art und dem Wesen Christi in Einklang bringen lassen oder doch als ein Streben nach der Art Christi erkannt werden können. Gewiß, Gottes Wille wird auch heute noch unmittelbar in Menschen lebendig und reißt sie fort zu Bekenntnis und Tat. Aber wir können nur dann sagen‚ daß ein Mensch Gottes Willen in unserer Zeit offenbare, wenn sein Wollen und Handeln sich mit den im Evangelium durch Christus geoffenbarten Wahrheiten und Forderungen vereinbaren läßt. Ist das nicht der Fall, dann ist das Reden von der Gottgesandtheit eines Menschen und Führers eine Blasphemie, eine Gotteslästerung. Ich behaupte, daß die Verherrlichung Hitlers - als des gottgesandten Retters des deutschen Volkes und der ganzen Welt im Zeichen des Hakenkreuzes - für einen Christen eine unerhörte Lästerung seines Glaubens an Gott, den Herrn der Welten, darstellt, die nur erklärlich ist aus einer hysterischen Überspannung des hakenkreuzlerischen Geltungsbedürfnisses.

Was aber sind die uns durch Christus für das Leben der Menschen untereinander geoffenbarten Wahrheiten, an denen sich alles entscheidet? Ich bin aus Gottes Gnade sein Kind. Der tiefste‚ letzte Grund meines, jedes Menschen Wesens ist aus Gott selbst, ganz unabhängig von jeder Rasse und von jeder völkischen Gebundenheit. Nicht mein Fleisch und Blut, nicht die irdische Hülle ist das an mir wesentliche, sondern meine Seele, die Kraft Gottes, die Kraft die Guten, Ewigen in mir. Der Völkische Beobachter aber schreibt am 17. Mai 1930: »Wir Nationalsozialisten gründen unser Wollen in den reinen Werten deutschen Blutes. Dieses Blut als erdnaher Träger deutschen Wesens gibt uns Sicherheit, Lebenswillen und Tatkraft; in diese Ströme des wach und bewusst gewordenen Blutes haben wir die Anker gesenkt, haben neuen Grund gefunden, neuen Halt und neue Besinnlichkeit«.

Und der Herr Rosenberg, Chefredakteur des Völkischen Beobachters, schreibt in seinem Buche: »Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts«: »Heute erwacht aber ein neuer Glaube: der Mythus des Blutes, der Glaube, mit dem Blute auch das göttliche Wesen des Menschen überhaupt zu verteidigen. Dieser Glaube, diese Überzeugung lehrt uns: Der Mann hat für sein Volk zu kämpfen in täglicher Arbeit, wenn es nottut unter Einsatz des Blutes. Aufgabe der Frau ist es: Hüterin dieses Blutes zu sein, auf daß es rein erhalten und nicht verfälscht werde. Denn zum Untergang verurteilt von der Geschichte wird ein Volk immer erst dann, wenn es sein Blut nicht gewahrt hat‚ wenn sein Blut so weit vermischt wurde, daß es vom Edeling herabsank zum Köter«.

Diese Verherrlichung und Vergötzung des Blutes, und zwar des arischen Blutes, der »nordischen Edelrasse«, diese Behauptung der Nationalsozialisten, als ob das Blut, der Instinkt, wie Hitler in München sagte, der Träger, die Ursache eines höheren, besseren Seins, des »göttlichen Wesens des Menschen« wäre, ist durch und durch unchristlich, ist nicht der Mythus des 20. Jahrhunderts, wie Herr Rosenberg meint, sondern der Mythus der primitiven Horden- und Nomadenvölker etwa des 12. Jahrhunderts vor Christi Geburt, und darum der größte Unsinn des 20. Jahrhunderts! Wie wenig das Blut an und für sich der Träger des höheren Lebens ist, erhellt daraus: Ich kenne eine ganze Menge höchst‚ »edelrassiger germanischer Schufte« und ich kenne sehr edle, innerliche Menschen, die Christus nahe stehen, in allen Rassen und Völkern der Erde. Interessant ist was der Schweizer Flieger Mittelholzer über Afrika sagt: »Schon hoffte ich, nun endlich ungestört schlafen zu können, als es gegen 11 Uhr draußen klopfte. Es waren die zuerst da gewesenen Neger, die mir in einer Platte zwei große gesottene Fische sowie ein halbes Dutzend Eier brachten. Wie richtig hatte ich doch gehandelt, als ich das von der eidgenössischen Militärverwaltung freundlichst zur Verfügung gestellte Maschinengewehr zu Hause gelassen und sogar am Viktoriasee an Stelle von Filmmaterial meine persönliche Offizierspistole zurückgesandt hatte. Für einen Kenner des jetzigen Afrikas ist es ein offenes Geheimnis, daß man im sogenannten ‚schwarzen’ Erdteil viel sicherer reist, als im zivilisierten Europa«.

Bis zu welcher Torheit sich aber die Anhänger der hakenkreuzlerischen Bluttheorie versteigen, soll ein Zitat aus dem Völkischen Beobachter vom 15. Februar 1930 beweisen: »Der Germane huldigte zu allen Zeiten einem heldischen Vorbild. Der Lichtrecke Siegfried des Nibelungenliedes ist sein spätgeborener Enkel. Jahrhunderte lang später tritt uns dasselbe Vorbild im Lauf der Zeit gewandelt entgegen im Ritter, dann kam der Zusammenbruch. Und da geschah das Wunder: Ein gütiger Gott sandte dem Volk einen Retter. Adolf Hitler stand auf und schuf dem deutschen Volk im Nationalsozialismus ein neues Bekenntnis, gab ihm den verlorenen Glauben an sich selbst zurück. Aus dem Boden stampfte er das braune Heer vom Hakenkreuz. »So wurde das Haken­kreuz zur einzigen letzten Hoffnung aller deutschen Menschen, in deren Adern das Blut der nordischen Edelrasse lebendig ist. Jetzt hat das deutsche Volk wieder Vorbilder!«

Hier ist der Platz zu einem Wort über die armselige Judenhetze der Nationalsozialisten. Das Kreuz ist das Symbol Christi, der ein Jude war seiner Rasse nach. Alle Versuche der Nationalsozialisten, das zu bestreiten, sind für einen Wissenden so kindisch wie ihre Versuche, Teile des Alten Testaments, die Psalmen, als ein Machwerk mittelalterlicher Fälscher hinzustellen. »Die Psalmen sind bekanntlich«, schreibt der Völkische Beobachter vom 18/19. Mai 1930, »arischen Vorbildern nachgedichtet!«

Trotzdem veranlaßt ihr Christentum die Hakenkreuzler, die Juden auf das gemeinste zu beschimpfen, als ob sie der Ausbund von Gemeinheit der ganzen Welt wären, die »Weltpest«.

Es gibt auch unter den Juden gemeine Naturen, und die Jahrhunderte, Jahrtausendelange Verfolgung der Juden durch die am römischen Imperium gebildeten germanischen »Christvölker« hat sie weithin zu einer Lebensart gezwungen, die uns zuwider ist, an einem kriecherischen, sich immer wieder sichern müssenden Durchschlängeln im Leben. Hätten wir als Christen nicht eher Ursache, diese Verächtlichmachung und Unterdrückung der Juden zu bedauern und ihre angeblich schlechten Charaktereigenschaften, »Rassenminderwertigkeiten«, wie die Nationalsozialisten sagen, durch unsere angeblich besseren und stärkeren geistigen Kräfte zu überwinden?

Aber mir scheint, als ob der abgründige Haß der Hakenkreuzler gegen die Juden, die gemeinen Schimpfworte, die Morddrohungen, keine Zeichen einer besonderen höheren Kultur wären. Es hat, das läßt sich nicht bestreiten, auch immer unter den verachteten Juden Menschen gegeben, die Christus näher standen, als viele ehrbare Katholiken und Protestanten. Einer unter ihnen war Rathenau, den die »Richter« Deutschlands‚ wie der Herr Rosenberg sagt, »gerichtet haben«; wir sagen, den irregeleitete »Edelarier«, Fememörder, feig ermordet haben. Lassen Sie mich einen kurzen Abschnitt aus dem Brief Rathenaus an einen jungen völkischen Leutnant, Hanns Breisig, vorlesen, den er am 29. November 1919 geschrieben hat: »Wir Juden aber haben unsere Sendung nicht erfüllt, deshalb mögen Sie uns verurteilen. Denn wir haben uns der Führung Christi nicht anvertraut, weil wir nur den katholischen und den protestantischen, nicht den lebendigen Christus erblickten. Der aber wird uns, alle führen, und einer Führung durch Zeitgenossen bedarf es nicht. Nicht zur Vollendung des Familienstammes wird er uns führen, sondern zu dem Hause mit den vielen Wohnungen, das keine Proletarierkaserne, aber auch kein Wolkenbau und Luftschloss ist. Es handelt sich nicht darum, aus den Proletariermassen »ungezählte Talente« herauszufischen‚ auch nickt darum, aus Gewerkschaftssekretären Minister zu machen, alles das ist nebensächlich und unschädlich. Aber aus dem, was sie Mob nennen, sollen Menschen und Gotteskinder werden, trotz aller Schwächen und Laster, die in ihnen stecken mögen, freie Menschen, nicht braves Gesinde und ehrbare Untertanen.« Das Kreuz ist für uns das Symbol der allgemeinen Schuld der Menschen und nicht der Juden. Nach christlicher Auffassung sind wir all zumal Sünder und mangeln des Ruhmes vor Gott. - Alle Menschen sind im Angesicht des Kreuzes Christi schuldig! Luther spricht von der »angeborenen Verderbnis menschlicher Natur und der reizenden Lust zum Bösen«, die sich bei Juden, bei Griechen und Germanen gleichermaßen auswirkt. An anderer Stelle sagt er: »Ich will in einer Kirche sein und bleiben, darin Kleinmütige, Schwache und Kranke sind, die ihre Sünde‚ Jammer und Elend erkennen.«

Die Nationalsozialisten aber sagen (Prof. Günther/Jena)‚ daß »nur in einem sittlich so fragwürdigen Volk wie dem jüdischen diese Lehre von der Erbsünde entstehen konnte. Und der Krontheologe der Nationalsozialisten Hase in Leipzig, verstieg sich sogar zu folgenden programmatischen Sätzen über »Nationalsozialismus und Christentum«: »Wir behaupten, daß nicht das Christentum uns erst die Gesittung gebracht hat‚ sondern daß das Christentum seine dauernden Werte dem germanischen Charakter zu verdanken hat.«

Vielleicht ist es das Einfachste zu sagen, wie die Nationalsozialisten: »Es gibt keine Sünde außer der Sünde wider das Blut, nicht alles zu tun für die Nation«, wobei »für Nation« für sich, für die Partei, bedeutet. Das allergefährlichste aber ist für einen Menschen nicht, daß er der Sünde verfallen ist und von ihr beherrscht wird, sondern daß er es gar nicht merkt, wie der Hass, die Lüge, die Triebhaftigkeit, die gemeine Gesinnung ihn beherrschen. Ja,manchmal ist es so‚ daß dieser Schuldiggewordene die Mächte des Niedrigen, das ihn gefaßt hat, noch verklärt. In dieser Gefahr aber stehen die Nationalsozialisten.

Das Kreuz ist für den Christen das Symbol der Erlösung. Christus hat am Kreuz die Sünde unter seine Füße getreten, ihr die Macht und uns die Furcht vor ihr genommen. Das Hakenkreuz braucht keine Erlösung. Sein Weg ist der »Weg der Reinheit und des Guten«, der Weg Gottes aus dem »gesunden Instinkt« des Herrn Hitler. Welche Überheblichkeit!

Vor dem Kreuze Christi sind alle angeklagt‚ die das Reine beschmutzen, die Lüge Herrschsucht, Hass, Machtgier treibt und die die Erlösung aus dieser Macht ablehnen. Das Kreuz Christi ist so eine unerhörte Anklage gegen die Nationalsozialisten, denn sie rufen zum Hass auf, sie sind bereit, um die politische Macht zu bekommen zu lügen und zu morden. Sie sind entschlossen zu Krieg und Zerstörung. Sie haben noch nicht genug daran, daß Christus im Krieg millionenfach gekreuzigt worden ist. Sie wollen aufs neue unser Volk in die Sünde führen und seine Erlösung unmöglich machen.

(3) Bei Matthäus Kapitel 20 Vers 25-27 aber steht ein Wort Jesu: »Ihr wißt, daß die weltlichen Fürsten herrschen und die Oberherren haben Gewalt. So soll es unter euch nicht sein. Sondern so jemand will unter Euch gewaltig sein, der sei Euer Knecht – gleichwie ich nicht gekommen bin, daß ich mir dienen lasse, sondern daß ich diene und gebe mein Leben zu einer Erlösung für viele«.

Und Matthäus Kapitel 25 Vers 40: »Was ihr einem unter diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.« Aber der Führer der Nationalsozialisten, Adolf Hitler, der »uns von Gott geschenkt ist« (Opferdienst der völkischen Frauen, Nummer 17) sagt in seiner Aussprache mit Otto Strasser, der seine eigene Nationalbolschewistische Partei aufgetan hat, folgendes: »Die große Masse der Arbeiter will nichts anderes als Brot und Spiele, sie hat kein Verständnis für irgendwelche Ideale, und nie werden wir damit rechnen können, die Arbeiter in erheblichem Maße zu gewinnen. Wir wollen eine Auswahl der neuen Herrenschicht, die nicht von irgendwelcher Mitleidsmoral getrieben wird, sondern weiß, daß sie das Recht hat, zu herrschen, und diese Herr­schaft über die breite Masse rücksichtslos aufrechterhält und sichert.«

Die Nationalsozialisten behaupten, dem Volk, dem ganzen Volk aus christlicher Nächstenliebe helfen zu wollen zu einer menschenwürdigen Existenz aller durch die Brechung der Zinsknechtschaft – und wollen im Grunde die wirtschaftlich Mächtigen, die Besitzenden durch die Ausschaltung des Finanzkapitals‚ des Zinszwischengliedes um so besser rüsten für eine neue brutale Unterdrückung und Ausbeutung der wirtschaftlich abhängigen Massen. Nicht helfen, herrschen wollen sie, das zeigt ihr Gesellschafts- und Staatsideal. Das Herrenmenschentum wird verherrlicht - und die Masse, das rote »Pack«‚ verachtet. In den nationalsozialistischen Zeitungen werden die »Marxisten«, die proletarischen Organisationen, die darum kämpfen, daß jeder, der Menschenantlitz trägt, menschenwürdig leben soll, auf das gemeinste beschimpft. »Marxistische Verbrecher«, »Mob«, »Untermenschentum der Masse« - das sind täglich in der völkischen Presse wieder kehrende Schlagworte. Die Nationalsozialisten möchten aus der Masse‚ die der Kapitalismus um ihr Menschsein betrügt, Herdenmenschen, Untertanen machen, die Zeiten der Barbarei wieder einführen, von denen Fichte schon 1793 sagt: »Die Zeiten der Barbarei sind vorüber, ihr Völker, wo man euch im Namen Gottes anzukündigen wagte, ihr seid Herdenvieh, die Gott deswegen auf die Erde gesetzt habe, um ein Dutzend Göttersöhnen zum Tragen ihrer Lasten, zu Knechten und Mägden ihrer Persönlichkeit, und endlich zum Schlachten zu dienen. Ebenso wenig werdet ihr noch weiterhin glauben, daß ihr alle blind, hilflos und unwissend seid, und daß ihr selbst euch nicht zu retten wisst, wenn sie euch nicht wie unmündige Kinder an ihren väterlichen Händen leiten. Sie haben erst in diesen Tagen durch Fehlschlüsse, die der Einfältigste unter euch nicht gemacht hätte, gezeigt, daß sie auch nicht mehr wissen als ihr, und daß sie sich und euch ins Elend stürzen, weil sie mehr zu wissen glauben.«

Wir danken für das neue »Dutzend Göttersöhne« – von Herrn Hitlers und Mussolinis Gnaden. – Christliche Gesellschaftsauffassung will brüderliche Gemeinschaft, Dienst der Starken für die Schwachen, nicht Herrschaft, will die aus der Freiheit Aller wachsende Bruderschaft. Das gesellschaftliche Ziel der Nationalsozialisten aber ist auch nur vorübergehend allein zu erreichen durch einen Bürgerkrieg. Sie wollen darum auch den Vernichtungskrieg gegen den Marxismus. Hitler schreibt in seinem Hauptwerk »Mein Kampf«: »Nein, eine wirkliche nationale Regierung musste damals (1923) die Unordnung und die Unruhe wünschen, wenn nur unter ihren Wirren endlich eine prinzipielle Abrechnung mit den marxistischen Todfeinden unseres Volkes möglich wurde und stattfand. Unterließ man dies, dann war jeder Gedanke an Widerstand purer Wahnsinn

Und an einer anderen Stelle: »Gegen Frankreich kämpfen zu wollen mit dem Todfeind in den eigenen Reihen, war heller Blödsinn. Ehe man äußere Feinde besiegt, muß erst der Feind im eigenen Innern vernichtet werden. Man rede durchaus nicht von der Fraglichkeit eines militärischen Erfolgs gegen Frankreich. Denn wenn man das Ergebnis des deutschen Handelns gegenüber dem Ruhr­einfall der Franzosen nur die Vernichtung des Marxismus im Innern gewesen wäre, so würde schon damit der Erfolg auf unserer Seite gewesen sein.«

Man erinnere nur daran, daß Kaiser Wilhelm II. in einem Briefe an Bülow vom 31. Dezember aus Anlaß der Marokkokrise schrieb: »Erst die Sozialisten abschießen, köpfen und unschädlich machen – wenn nötig per Blutbad – und dann Krieg nach außen! Aber nicht vorher und nicht à tempo. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen zum neuen Jahr, welche uns gesegnete Arbeit bringen möge« (Berliner Tageblatt Nr. 487 vom 14. Oktober 1928). Dieselben Methoden, aber diesmal unter der Maske des nationalen, positiv christlichen »Sozialismus!«

Die Methoden der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten sind ebenfalls sehr christlich. Ihr Hauptmann Göring hat Ende Oktober 1923 die Losung ausgegeben: »Bei der Übernahme der Gewalt durch die Nationalsozialisten muß mit schärfstem Terror vorgegangen werden, wer die geringste Schwierigkeit macht‚ ist zu erschießen. Es ist notwendig, daß sich die Führer jetzt schon die Persönlichkeiten heraussuchen, deren Beseitigung notwendig ist. Mindestens einer muß zum abschreckenden Beispiel nach Erlaß des Aufrufes überall erschossen werden.«

Im Illustrierten Beobachter Nr. 10 (1930) wurde folgende Dichtung veröffentlicht: Rache. Nähret die Flamme der Rache gut! Rache für Wessels edles Blut. Deutscher Entstammung, viehisch vergossen von Marxismus und Satansgenossen. Keinen Pardon einst! Blut nur im Blut! Rache reife der roten Brut.

Im Völkischen Beobachter vom 22. 2. 30 heißt es: »Der Geist des Kampfes ist wach. Er lebt in uns. Der alte Gott der Rache schläft nicht. Bald wird er sich gürten und wappnen.« Diese Hetze zum Bürgerkrieg ist systematisch vorbereitet in dem Propagandamaterial der Nationalsozialisten. In dem offiziellen, von der »Reichspropaganda-Abteilung« des Herrn Goebbels herausgegebenen 1. Heft heißt es auf Seite 19: »Die andere Art, Versammlungsthemen zu finden‚ ist: Sensationelle Tagesereignisse, Skandale jüdischer oder marxistischer Art, besonders politische Geschehnisse‚ in kürzesten Schlagworten - meist bloß drei bis vier großgedruckte Worte - aufzustellen, so daß die Masse aus Neugierde - aus Wut über politische Ereignisse‚ in der Hoffnung, für ihre materiellen Standes- und Klasseninteressen etwas Vorteilhaftes zu hören, hereingeht.«

Direkte auch praktische Hetze zum Bürgerkrieg - Aufhetzung der Triebhaftigkeit in der niedrigsten und berechnendsten Weise - das ist der »Idealismus« der positiv christlichen »Arbeiterpartei«‚ daß sie durch Plakate in den Massen die Hoffnung erweckt, sie höre in der Versammlung etwas »für ihre materiellen Standes- und Klasseninteressen Vorteilhaftes«.

Im Völkischen Beobachter erscheinen jeden Tag Bürgerkriegs- und Heeresberichte über gewonnene Saalschlachten, bei denen immer die »Rotmordbanditen« die Angreifer sind.

Etwas Verlogeneres als diese Berichte‚ die unter dem Schutz der Immunität der Reichstagsabgeordneten von den Redakteuren herausgegeben werden, habe ich nirgends gelesen.

Die beim Hitlerputsch am 9. November 1923 ums Leben gekommenen, irregeleiteten Männer werden in der völkischen Presse als Vorbilder glorifiziert - ja, die »Reichsleitung der NSDAP verlangt von den Pfarrämtern, es »möchten am 9. November« Feiern abgehalten werden zu Ehren der im Weltkrieg gefallenen Soldaten und der in der Nachkriegszeit von marxistischem Mordgesindel getöteten Kämpfern für eine neue Deutsche Zukunft.«

Wir leiden unter den Methoden des politischen Kampfes, die mit Notwendigkeit zum Bürgerkrieg führen müssen, - wir betrauern jeden, der in politischen Schlägereien ums Leben kommt, gleichgültig, ob er Sozialist oder Faschist ist, die Nationalsozialisten aber verherrlichen die bei politischen Schlägereien ums Leben gekommenen Faschisten als »Deutsche Helden, die auf dem Feld der Ehre und der Pflicht geblieben sind«. Regelmäßig heißt es in den Nachrufen: »Von einer Horde Marxisten (einer marxistischen Übermacht) angefallen und nach tapferer Gegenwehr erschossen.«

Wie die von den Nationalsozialisten kopierte faschistische Bewegung den Bürgerkrieg zur Machtergreifung durchgeführt hat, ist in der Erinnerung aller, die damals die Vorgänge in Italien verfolgt haben.

Damals brachen die Faschisten auf dem Lande in die Häuser der Gewerkschaftsbeamten ein, holten sie aus dem Bett und ermordeten sie. Auf schweren Lastautos fuhren sie, bis an die Zähne bewaffnet, von einem Teil des Landes zum anderen, machten die Städte unsicher, verwüsteten die Wohnungen der sozialistischen Bürgermeister und Stadtverordneten, plünderten Geschäfte, brannten Häuser an, sozialistische Zeitungen und Redaktionsstuben wurden zerstört. Wer Geldsummen an oppositionelle Blätter schickt, den holt die faschistische Miliz auf das Wachlokal. Dort wird er beschimpft, bedroht, geschlagen. Die Wortführer der Opposition holt man mit dem Auto ab, fährt sie meilenweit fort und erschießt sie irgendwo draußen im flachen Land hinter einer Hecke. Pietro Ferrero, der nichts anderes verbrochen hat, als daß er Sekretär des Metallarbeiterverbandes war, haben die Faschisten mit den Füßen an ein Auto gebunden und als einen blutenden Klumpen zerfetzten Fleisches durch Turin geschleift. - Als Matteotti im Parlament eine kluge, scharfe, aber völlig sachliche Anklagerede gegen die Gräuel dieses politischen Kampfes gehalten hatte, setzte er sich und sagte halb im Scherz und halb im Ernst zu seinen Freunden: »Jetzt, meine Freunde, könnt ihr meine Leichenrede vorbereiten.« Zehn Tage später wurde Matteotti auf der Straße von fünf Personen aufgehalten, in ein Auto gedrängt. Im fahrenden Auto kommt es zu einem furchtbaren Kampf, der damit endet, daß einer der Mordgesellen dem tapferen Matteotti den Dolch in die Brust stößt. Das Bürgertum verachtete die Kampfmethoden der Faschisten, aber es rührte sich auch nicht ein Finger zur Verteidigung des Rechts. Der Staat war machtlos. Die Polizei hatte Angst. Sie schritt regelmäßig dann ein, wenn das Unglück geschehen war, und die Täter nicht mehr erwischt werden konnten.

Die Kirche schwieg.

Die Kirche schweigt auch bei uns, bis es zu spät sein wird. Sie schweigt aber nicht nur zu dem offensichtlichen Bürgerkriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten – sie schweigt auch zu der Kriegspropaganda der Faschisten, die mit der Weltanschauung, die das Kreuz Christ kennzeichnet, unvereinbar ist.

Herr Goebbels schreibt: »Das aber ist Christentum: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Mein Nächster ist mein Volksgenosse. Liebe ich ihn, dann muß ich seine Feinde hassen.« Die Auslegung Jesu Christi über die Nächstenliebe in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter lautet anders, Herr Goebbels! Dort haben gerade die »Volksgenossen« den ausgeplünderten und halb totgeschlagenen Nächsten liegen lassen und der dem »Kötervolk« angehörende, der Samariter, um mit ihrem Freund Rosenberg zu sprechen, hat dem in der Not Zugrundegehenden aus dem internationalen, denken sie Herr Goebbels, internationalen Liebeszwang eines in Gott gegründeten Gewissens geholfen.

Der »militärische Sachverständige« des Dritten Reiches, der Oberst a. D. Constantin Hierl, schreibt in der parteiamtlichen Broschüre Nr. 12 »Grundlagen einer deutschen Wehrpolitik«‚ Seite 3: »Der Staat ist nach unserer Auffassung die Machtorganisation, die ein Volk braucht damit es den schicksalsverhängten Kampf um sein Leben auf dieser Erde bestehen, seine natürlichen Fähigkeiten und Anlagen entwickelte und damit seiner göttlichen Bestimmung dienen kann (!)«

Sehr christlich, diese Auffassung vom Staate. Seite 4 zitiert als Definition des Krieges das Wort vom Clausewitz: »Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen und es gibt in der Anwendung der Gewalt keine Grenzen.«

Sehr christliche Auffassungen, positiv christliche Auffassungen, Herr Oberst Hierl!

Seite 4: »Es gibt nur einen unparteilichen Richter über die Völker, das ist - der geschichtliche Erfolg. Dieses Gottesgericht gibt dem Starken Recht.«

Dann wäre also unser Volk, das den Weltkrieg verloren hat, von »Gott gerichtet«, Herr Oberst Hierl. - Der unparteiliche Richter der Welten aber und der Völker, Herr Oberst, ist für einen Christen wenigstens nicht »der geschäftliche Erfolg«, sondern Jesus Christus.

Seite 3: »Blut allein treibt die Räder der Weltgeschichte«, meint Mussolini, und der Herr Oberst Hierl zitiert diese abgrundtiefe, positiv christliche Erkenntnis im Sperrdruck.

Die ganze Broschüre des nationalsozialistischen Kriegssachverständigen ist eine einzige Blasphemie für den Christen, der in seiner Seele die Sehnsucht nach dem Frieden auf Erden trägt‚ der uns durch Christus Jesus verheißen ist: Das Kreuz ist das Symbol des Friedens - und der Friedensbereitschaft -‚ und nicht der Wehrhaftmachung unseres Volkes.

Es ist traurig, daß in der SA-Beilage des Völkischen Beobachters die Gedichte von 1914 Auferstehung feiern. Am 24. Dezember 1930 war da zu lesen: »Volk, steh auf! Volk, werde frei! Brich deine Sklavenketten entzwei: Volk, stehe auf! Blick auf zu den Ahnen, den Heldenge­­s­t­alten. Greife zum Schwert, wie sie die Faust einst ballten! Mut nur und Stolz kann Achtung erzwingen. In feiger Angst kann nichts gelingen. Trau deiner Kraft! Trau dir allein! Gott wird dir Helfer sein. Zu ihm schau trotzig - wild empor. Tu ab den Trauerflor: Denn du stirbst nicht.«

Wir werden auf keinen Fall uns der Kriegspropaganda der Nationalsozialisten beugen. Wir halten es mit Berthold Auerbach: Solange noch eine Kanone gegossen wird, solange noch ein Mensch den andern tötet, ist keine Religion auf der Welt. Solange noch ein Geistlicher einen Menschen schwören läßt, auf Kommando seinen Bruder zu töten, ist alles Kirchentum eitel Lüge.

Wir halten es mit Chr. Blumhardt: Wer in den Geboten des Heilandes steht und sein Leben in sich aufgenommen hat‚ der kann Frieden haben unter allem Streit der Menschen. Es soll aber auch Frieden werden auf der Erde. Auch die Völker und Gesellschaften untereinander sollten Frieden haben. Es soll Frieden werden in der ganzen Welt und in dieser Hoffnung dürfen wir stark werden. Wir wenden uns um des lebendigen Christentums, um des Evangeliums willen mit aller Entschiedenheit gegen das »positive Christentum« der Nationalsozialisten - wir kämpfen im Zeichen des Christuskreuzes gegen das Hakenkreuz.

Zu dieser Rede waren die Nationalsozialisten öffentlich durch Plakate eingeladen; es wurde ihnen eine Stunde Redezeit zugebilligt. Sie haben nicht gewagt, in der Diskussion zu sprechen.

(In: »Der Religiöse Sozialist«, 13. Jg., (1931), Abschnitt (1) in Nr. 7 vom 15. Februar 1931, S. 27; (2) in Nr. 8 vom 22. Februar 1931, S. 32; (3) in Nr. 9 vom 1. März 1931, S. 38.)

Online publiziert mit freundlicher Unterstützung durch Friedrich-Martin Balzer.